Willfried
Brauseberger Von Schwautz war schon immer eine mir
rätselhafte Gestalt gewesen. Und
dennoch, wenn man da so zum Horizont blickt, sieht man ihn häufig
lächelnd auf seinem Fahrrad sitzen. Einladend winkend wedelt
er dort mit der einen Hand, die andere fest sein Fahrzeug haltend.
Und wenn man wagt ihm auch nur ein wenig entgegen zu kommen,
dann tretet er in die Pedalen mit einer ergebenen Manneswucht
und schon ist er wieder weiter vorne. Er winkt abermals. Lächelnd,
wie eine ersehnte Vatergestalt. Ein Vater dessen unermessene
Weisheit dem Menschen des einfachen Volkes zu gewachsen ist.
Dessen Vorantreiben man nicht Stand halten kann. Dessen Grösse
uns fremd bleiben wird und wir nur erahnen können, welch
Göttlichkeit uns
dort einläd, zu einer eigenartigen
Reise. Eine Reise nach Innen.
Nach
innen zum Kern, wie auch dem Uhrzeiger entgegen, zurück
zu besseren Zeiten, denn bekannterweise war Damals ja Alles
Besser. Zurück also zum Kern des Wesens, zum Schoße
der Natur, zum Gebet, zu sich selbst und zu denen die einem
nahe sind.
Das
Schwautzsche Kreuz symbolisiert eine solche Reise ins Innere.
Wobei die Bezeichnung Kreuz eine Fehldeutung wäre, denn
in der Schwautzschen Welt kreuzt sich nichts und niemand. Dort
entsteht im Kern und entfaltet sich wie das Leben, wie eine
atomare Struktur, wie die Äste einer Eiche. Dort vergeht
an den äussersten Grenzen, verkrüppelt, verwelkt,
bessinnt sich seiner Wurzeln, seines Stammes und stirbt wie
vorgesehen von der Natur in einer Zurückentwicklung zu
sich selbst. So wie der Urknall, wie die Blüte der Jugend,
so das Alter, eine Implosion der Sinne, des Willens.
Keine
Swastika, kein noch so heiliges Kreuz zeichnet dieses einfache
Prinzip des Lebens so gut wie das Schwautzsche Kreuz. Und auch
nicht Wiligut's schwarze Sonne ist diesem nahe zu setzen, denn
seine Sonne bleibt im Kern ein Konglomerat einiger Strahlen,
welche sich (wollen wir's hoffen) in der Mitte treffen und somit
das Zentrum jedem bekanntem Naturgesetz trotzt. Solche Zeichen
symbolisieren nicht mehr als die Rationalisierung des Lebens
oder die Sucht des Lebens einer geordneteren Struktur sich zu
unterwerfen. Und in unseren heutigen Zeiten der digitalen Pest
erleben solche Denkraster Hochkonjunktur : Alles soll schematisiert
wirken, gerade verlaufen und natürlich sich kreuzen, um
eine Illusion der Vielfältigkeit zu erwecken (obwohl jedes
Kind weiß, daß wenn ein Ast einem anderen begegnet,
er sich das Recht nimmt an ihm vorbei zu wachsen : der ewig
anhaltende Kampf der Natur kennt keine Kreuzung ohne Zerstörung).
So ist es heutzutage eindeutig, daß nicht der Komputer
wie ein Mensch wirkt, sondern der Mensch wie ein Komputer wirken
soll. So sorgt der Fortschritt dafür, daß dieses
unser Leben geradlinieg nach Plan verlaufen soll.
Nicht
so bei Schwautz. Seine Strukturen sind Leben, sind Sonne, sind
Geburt und Tod zugleich, sind Trauer und Trost, hin und her,
auf und ab. Seine Ideologie ist eine Fahrt dessen Ziel der Startpunkt
ist. Dort schreit die Jugend ohne Fassung und dort fasst der
Senior ohne zu Schreien. In kreisförmigen Gebilden kommt
der einst junge Mensch als alter Greise zurück zum Schoße
der Natur.
Und
heute, ist es die Reise nach innen, unsere letzte Fahrt zu den
Toren des Todes, die welche uns älteren Leute am meisten
bewegt, wir die nicht mehr die Kraft zum Sprießen und
Spritzen besitzen, wir die nicht mehr den Mut der Entfaltung
verspüren, uns zwingt der mühselige Weg nach Haus,
zurück zu unserer Erde der wir einst entkammen. Und mit
ihm die Sehnsucht, die uns bewegt unser Selbst zu besteigen,
uns zu verstehen, um dann, wie Schwautz, am Horizont die schreiende
Jugend zu begrüßen, herbei zu winken damit sie teil
an unserer Selbstfeier haben.
Und
so fahren wir mit unseren Fahrrädern dahin...